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Die schöne Galathée

Wir als Zeitungsjungs und als Ariadne von Marmelstein und Urs Bach
Wir als Zeitungsjungs und als Ariadne von Marmelstein und Urs Bach

Der Mythos des Pygmalion und die Schöpfungsgeschichte unseres kleinewelttheater.


In seinen Metamorphosen erzählt Ovid dieses: Der Bildhauer Pygmalion schnitzt aus Enttäuschung seine Vorstellung einer perfekten Geliebten in eine Skulptur, verliebt und fantasiert sich unermesslich in ein Leben mit seiner Elfenbeinschnitzerei hinein und fleht schließlich die Göttin Venus an, die Statue wirklich lebendig zu machen. 

 

Das machte uns neugierig.

Enttäuscht vom ausbeuterischen Umgang mit Schauspieler:innen und Sänger:innen im subventionierten Theaterbetrieb schnitzten wir nämlich gerade an der Idee unseres eigenen Theaters, welches wir mit Hilfe der göttlichen Musen und unserer venusianischen Liebeskraft auch zum Leben erwecken wollten. Kein Wunder also, warum das Motiv uns auf der Seele lag. So weit, so gut.

 

Zurück zu Pygmalion und dem Thema: "Pass auf, was du dir wünschst, es könnte in Erfüllung gehen" oder um das Sams (bzw. den Autor Paul Maar) zu zitieren: "Du musst schon genau wünschen!". Nun, das hätte Pygmalion auch besser tun sollen, denn nun erging es ihm ähnlich wie Herrn Taschenbier (Papa vom Sams), der sich auf eine einsame Insel wünschte, jedoch statt unter Palmen auf einem kargen Felsbrocken inmitten stürmischer See landete. Unser mythologischer Bildhauer war indes so vom Äußeren seiner Schöpfung eingenommen, dass der in seiner Vorstellung existierende Wunsch nach Seele und Charakter in seiner Skulptur nicht ausreichend zum Ausdruck kam und mit der Erfüllung seines Wunsches nicht die erhoffte Glückseligkeit erlebte. Außen hui und innen pfui eben! 

 

Auf diese Nachlässigkeit im Wünschen wollten wir aufmerksam machen. Was liegt unter der Oberfläche, hinter dem schönen Schein und in der Tiefe verborgen? Welche Wünsche decken sich auch mit unseren Bedürfnissen und machen uns wirklich glücklich? Manipulative Werbebotschaften über erstrebenswerte Schönheit und unreflektierter Konsum haben bei solch einer Nachlässigkeit des Wünschens den idealen Nährboden. Diese Interpretation und Kritik waren uns wichtig.

 

Unser antiquarisches Reclamheftchen aus dem Jahre 1906 lieferte als historischen Hintergrund außer Ovids Text ebenso Jean-Jaques Rousseaus Monodrama von 1780 als Vorlagen für zahlreiche Bearbeitungen des Stoffs. Der Komponist Franz von Suppé vertonte 1865 schließlich das Libretto eines gewissen Poly Henrion mit dem Titel: DIE SCHÖNE GALATHÉE - Komisch-mythologische Oper in einem Aufzug mit der Sopranistin Amalia Kraft in der Titelrolle am Wiener Carltheater. Diese Fassung nun diente uns als Vorlage einer eigenen Bearbeitung. Und nicht nur das! Die tragische Geschichte um die damalige Hauptdarstellerin und unsere eigenen Erfahrungen vom Theaterleben sind in die Bearbeitung und Inszenierung mit eingewebt. Eine Hommage an Amalia Kraft zum Einen und satirische Einblicke in das Spiel der höherstehenden Götter und Göttinnen mit den Menschen und den Begrenzungen ihrer irdischen Wünsche und großen Hoffnungen zum Anderen.

 

Dieser alte Mythos in Verbindung mit einer aktualisierten und modern beleuchteten Libretto-Bearbeitung schien uns als persönlicher Beitrag zur Belebung der satirischen Operettenkultur ein passender Auftakt zur Gründung unseres kleinewelttheater im Jahr 1998

 

Zur Libretto-Bearbeitung von Die schöne Galathée:

Die ursprüngliche Besetzung bestand aus den vier Hauptfiguren Pygmalion, Ganymed, Mydas und Galathée.

Die Bearbeitung beruht darauf, dass zwei Personen in Mehrfachbesetzung singen und spielen können. Die Handlung und Dramaturgie wurde im Laufe des Sommers 1997 von Thomas komplett neu arrangiert und umgeschrieben, während Martina noch bis zum Winter in Dinslaken am Landestheater engagiert war.

Daraus ergab sich die aus zwei Göttern und zwei Menschen bestehende Besetzung:

Die Liebesgöttin Venus (in Verkleidung als Amalia Kraft in der Partie der Galathée) und die Souffleuse Ariadne von Marmelstein wurden von Martina gesungen und gespielt. Thomas verkörperte den Bühnenarbeiter Urs Bach und den Gott des Bühnenspiels Dionysos (in Verkleidung als Kunstmäzen Mydas). Vor dem Einlass verkauften wir zudem in den Figuren von zwei Zeitungsjungs das Programmheft in Form einer Extrablatt-Ausgabe, die von der abgesagten Premiere kündete. Die Handlung unseres Singspiels ist vom Schicksal Amalia Krafts inspiriert.

 

Handlung:
Die Premiere des Bühnenstücks "Die schöne Galathée" mit Amalia Kraft in der Titelrolle droht abgesagt zu werden, weil diese wegen unerwarteter Geldforderungen spurlos verschwunden ist. Das bringt die Vorbereitungen des Gottes Dionysos durcheinander, der für die Geburtstagsfeier der Göttin Venus diese Premiere als Überraschung präsentieren wollte.

Derweil sind der Bühnenarbeiter Urs Bach und die Souffleuse Ariadne von Marmelstein mit der Situation eines leerstehenden Theaters auf sich gestellt. Urs Bach hat nur seine Verehrung und Bewunderung für Amalia Kraft im Sinn und wie er sie mit Geschenken für sich gewinnen kann und übersieht dabei die schmachtende Zuneigung seiner Kollegin Ariadne aus dem Soffleusenkasten.

Dieser Umstand unerwiderter Liebe ruft nun Venus auf den Plan. Sie schlüpft in die dekorative Theaterstatue, welche die Galathée darstellen soll und stutzt die unsinnige Starverehrung des einfachen Bühnenarbeiters zurecht, um ihm die Augen für die wahre Liebe zu öffnen. Derweil versucht Dionysos die Situation zu retten und steigt als reicher Kunstmäzen Mydas auf das irdische Tableau herab, hat aber nicht mit der wehrhaften Ariadne gerechnet und ist deshalb gezwungen, woanders nach Amalia Kraft zu suchen, um seine Liebesbezeugung an Venus noch zu retten. Zum Schluß fügt sich alles zum Besten. Dionysos konnte als geheimnisvoller Mäzen die Schulden begleichen, Ariadne und Urs finden zusammen, das Fest der Liebe zu Ehren von Venus ist gerettet. 

Ausstattung:

Das (für einen Zwei-Personen-Theaterbetrieb) sehr aufwändige Bühnenbild wurde von Andreas Auffenberg entworfen und in seinem Atelier Botticellis gestaltet. Das musikalische Arrangement für ein Quartett im Kaffeehaus-Stil und die technische Realisierung übernahm Peter A. Krahl (unser damaliger Komplize im Gershwin-Trio Tritop). 

 

Die Premiere der Koproduktion mit dem Theater der Stadt Velbert (damals gab es noch das Kulturamt) war am 08. August 1998 im Schloss Hardenberg, Velbert-Neviges. Für die Proben stand uns der kleine Saal im Historischen Bürgerhaus Langenberg zur freien Verfügung. 

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